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Die Klimakrise als Chance für die Tech-Wirtschaft

Foto: Pixabay
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Jan Nintemann, Inhaber der Messe-Agentur Global Fairs TT-Messe, formuliert seine Gedanken zur Klimakrise und wie unsere Branche - und insbesondere die Messewirtschaft - eine tragende Säule im Kampf gegen die existenzbedrohenden Auswirkungen der sich verschlimmernden Klimaveränderung einnehmen kann.
Jan Nintemann (Foto TT-Messe)
Jan Nintemann (Foto TT-Messe)
Das vergangene Jahrhundert wird in die Geschichte eingehen als das „Century of Waste“, der übermäßigen Verschwendung unserer natürlichen Ressourcen. Auf diese Weise haben wir in unverantwortlicher Weise die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen verbraucht. Der Rohstoff- und Materialverbrauch unserer produktiv-industrialisierten Consumer-Welt ist so gigantisch, dass wir die gesetzlich verankerten und einklagbaren Klima- und Umweltziele des Pariser Abkommens nur noch einhalten können, wenn der Rohstoffverbrauch in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten um die Hälfte reduziert wird. Ist das zu schaffen? Gibt es in Zukunft Geschäftsmodelle für viele Unternehmen, in denen die Unternehmensgewinne weniger vom Materialeinsatz der Rohstoffe denn von vielfältigen und neuartigen Dienstleistungen generiert werden können? Können wir wenigstens in Zukunft aus Öl und Gas abstammende industrielle Kunststoffprodukte oder bereits recycelte Plastikprodukte fabrizieren, deren Bestandteile sich wieder auf einen produktionsfähigen Zustand zurückführen lassen und somit endlich eine Kreislaufwirtschaft in Gang gesetzt werden kann, die – in Verbindung mit ausgeklügelten Vermeidungskonzepten – uns dem Ziel der 50-prozentigen Reduzierung der Ressourcen näher kommen lässt? Die Antwort lautet: Ja, wir können. Können wir so viel umweltfreundliche Energie (bei gleichzeitiger Effizienzmaximierung des Energieverbrauchs mittels KI) auf dieser Welt produzieren, dass wir auf alle fossilen Energieträger verzichten können? Die Antwort lautet wieder: Ja, wir können. Wenn wir denn wollen… Allerdings wird uns die Entwicklung unweigerlich zu einschneidenden Maßnahmen zwingen – denken wir nur einmal daran, dass bereits über 90 Prozent der Weltmeere mit Plastikteilchen verschmutzt sind - was zwangsläufig dazu führt, dass eines Tages kleinste Kunststoffpartikel bei uns auf den Teller landen.

Wir haben keine Zeit zu verlieren: Das Klima hat schon begonnen, uns die dramatischen Folgen unseres ignoranten Verhaltens vor Augen zu führen. Das veränderte Erdklima hat angefangen, uns seine Zähne zu zeigen. Das hat die Lage jetzt grundsätzlich verändert. Nichts wird zukünftig die Veränderung von Politik und Wirtschaft sowie die Entwicklung neuer Technologiren mehr beeinflussen als die Klimakrise selbst. Sie bestimmt spätestens ab Beginn der 2020er Jahre das Tempo sowohl bevorstehender großer gesellschaftlich und technologisch notwendiger Veränderungen als auch unser ganzes Denken und unser Konsumverhalten, sollte die Spezies Mensch doch noch die Absicht verfolgen, sich selbst vor dem sicheren Aussterben zu bewahren, um mit Prof. Harald Lesch zu sprechen. Dies überlagert alle anderen Veränderungen und treibt die Entwicklungen unausweichlich vor uns her. Das ist neu in unserer hochtechnisierten Welt, wo Technik bisher doch vermeintlich alles besser, bequemer und schneller erledigen konnte. Der Faktor Klima ist zum beherrschenden Faktor der Transformation unseres Wirtschaftens und Handelns in eine neue digitalisierte und klimaneutrale Welt geworden. In diesem Jahrzehnt, so sagen die Klimaforscher, wird – ja muss – die Welt sich mehr verändern als in den vergangenen hundert Jahren, sollten wir das 1,5- bis 2-Grad-Ziel des Pariser Abkommens einhalten wollen.

Vor über zwei Jahrzehnten bretterte auch ich als Branchenteilnehmer im Telekommunikationssektor mit über 200 Sachen über die Autobahnen; schließlich mussten Termine eingehalten werden. Zeit ist Geld, obwohl ich als Kind und Bauernsohn schon seit meiner Studentenzeit stets ein naturverbundener „innerlicher Grüner“ war. Doch da fast die gesamte Politik- und Medienwelt und vor allem die Geschäftswelt der drohenden Klimakrise in den 1980er, 90er Jahren und in der Millennium-Dekade kaum Bedeutung beimaßen (die Autos wurden immer größer und schneller, verbrauchten angeblich trotzdem immer weniger Sprit, auch die Computer machten alles bequemer und effizienter…), so dass der wirtschaftlich-gesellschaftliche Fokus dem Zeitgeist folgend eher auf die Computerisierung von Wirtschaft und Gesellschaft lag (Motto: Alles wird besser als früher). So geriet das Umweltbewusstsein in meinen „Karrierejahren“ irgendwie immer wieder aus meinem Blickfeld. Bis 2018 und 2019 Fridays for Future (FfF) einen sehr großen Klimastein ins Rollen brachte und fortan nach und nach nahezu alle seriösen Medien mit aller Macht das wichtigste Thema aller Themen zu ihrer 1a-Priorität machten. Niemand kann jetzt noch behaupten, er habe es nicht gewusst. Das ist eine gänzlich andere Situation als noch vor drei Jahren (vor der FfF-Bewegung). Nun hat auch die Fachpresse die Bedeutung des Themas erkannt, denn die Tech-Branche – allen voran die Industrie und die Distribution sowie auch die Finanz- und Versicherungswelt – haben das größte Interesse daran, ihre Unternehmen nachhaltig auszurichten. Was denn sonst. Wer als Unternehmen mit seinen Produkten weiterhin das Kima schädigt, wird verlieren. Wer mit grünen Produkten und nachhaltigen Lösungen aufwarten kann und so einen Beitrag zur Klimaneutralität leistet (auch und gerade für die Zielgruppe Kunden), wird gewinnen – so einfach kann man die bereits begonnene Transformation der Wirtschaft in die gesetzlich verankerte Klimaneutralität auf den Punkt bringen.

KI als Schlüssel zur Erreichung von Klimaneutralität

Foto: Global Fairs TT-Messe
Foto: Global Fairs TT-Messe
Wenn weder die finanziellen Mittel (siehe Corona-Pandemie) noch die technischen Lösungen fehlen, wo ist denn das Problem? Die seit vielen Jahren durchaus machbare, aber mangelnde Durchsetzung von umweltfreundlichen Verfahren und Technologien und die Veränderung unseres Wirtschaftens und Handelns zum dringend erforderlichen Klimaschutz liegt in dem interessensgetriebenen Verhindern und aktivem Gegensteuern veralteter Industriezweige, allen voran der Öl-, Kohle- und Gas-Industrien, an denen weitere Branchen hängen wie z.B. der Automobil-, Chemie- und Agrarwirtschaft. Verbunden mit entsprechender lobbyistischer Vernetzung in die hohe Politik und den Medien - und der damit einhergehenden „Zähigkeit unseres gesellschaftlich-politischen Systems“. Doch das Ende der fossilen Energieträger („Jahrhundert des Öls“) ist nun endgültig eingeläutet, auch wenn einige Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik das Ende des fossilen Zeitalters (in verschleierter Weise, versteht sich) so lange wie nur irgend möglich hinauszögern möchten – was konsequent stets einhergeht mit der Verhinderung von Maßnahmen gegen die Klimakrise. Immer wieder ist dabei das Arbeitsplatz-Argument zu hören, was bei den (wählenden) Arbeitnehmern Angst vor Veränderung auslösen soll. Dabei ist es genau umgekehrt: Das Festhalten an erwiesenermaßen veralteten und klimaschädlichen Wirtschaften vernichtet Arbeitsplätze anstatt neue zu schaffen. So musste z.B. auch VW nacharbeiten, um mit 1.000 neu eingestellten IT-Kräften in einem Camp die KI-Versäumnisse gegenüber dem Mitbewerber Tesla aufzuholen.

KI ist ein entscheidender Beschleunigungsfaktor für die Transformation in eine klimaverträglichere Welt geworden. Mit dem Fokus auf größtmögliche Vermeidung von Energie- und Ressourcenverbrauch fängt die Einsparungs- und Effizienzsteigerung schon bei der rechnergesteuerten Bedarfsanalyse an, unterstützt generell bei der Suche nach umweltfreundlichen neuartigen Produkten und Lösungen, steigert die Leistungsfähigkeit der Fabrikation mittels Automatisierung, hilft Gebäude energie-effizient zu steuern, sucht die effektivsten und umweltfreundlichsten Distributionswege und findet maßgeschneiderte Lösungen für jeden umweltbewussten Kunden. KI-ferngesteuerte Landmaschinen optimieren das Pflanzenwachstum und reduzieren durch zielgenaue Unkrautvernichtung den Einsatz giftiger Pestizide; KI optimiert den Energieverbrauch in der gesamten Mobilität und führt in unserer Global gewordenen Welt immer mehre internationale klima- und umweltschonende Standards ein. Kurz: KI ist DER Schlüssel zu einer schnelleren Transformation unseres Wirtschaftens und Handelns in eine umweltschonende und klimaneutrale Welt.

Kein Sektor also kann zur Entwicklung von Klimaneutralität mehr beitragen als die Tech-bzw. Digitalbranche, wie man aktuell am Beispiel der Automobilbranche in ihrer Transformation zur Elektromobilität ganz gut beobachten kann. Die „Elektrifizierung“ unserer Wirtschaftssysteme geht einher mit einer ungeahnten, nahezu grenzenlosen Steigerung der Möglichkeiten zur Digitalisierung aller Branchen und Sektoren. Darin liegt eine Chance, aber auch ein großes Risiko: Die Cyberkriminalität löst offensichtlich immer mehr die physischen Verbrechen ab; dementsprechend sind die (deutsche) Tech- und speziell die ITK-Branchen und die Politik gefordert, zunächst eine deutsch-europäisch und dann auch international verankerte IT- und Netzsicherheit sicherzustellen.

Ein Smart Home spart Energiekosten

Klimaneutral organisierter Messestand von Global Fairs, Foto: TT-Messe
Klimaneutral organisierter Messestand von Global Fairs, Foto: TT-Messe
KI-gesteuerte Systeme führen zu deutlich verbesserter Energieeffizienz, sowohl in den großen Energie-Netzen der Stromversorger als auch im privaten Umfeld, wo unterschiedliche Energiequellen zu verschiedenen Zeiten und für unterschiedliche Gebrauchszwecke zu einer absoluten Optimierung im Energie-Mix führen. Auf der von mir in Zusammenarbeit mit der SmartHome Initiative Deutschland e.V. organisierten zweiten „Studio Klima Konferenz“ auf der IFA Special Edition 2020 in Berlin beispielsweise, auf der die Pressesprecherin von FfF, Clara Mayer, in ihrer Keynote und in einer Podiumsdiskussion eindringlich auf die Versäumnisse zur Klimakrise hingewiesen hatte, präsentierten der Vorstandsvorsitzende des SmartHome-Vereins, Günther Ohland, und der Vertriebsvorstand Bernd Grohmann vom europäischen Marktführer für Smart-Home-Zentralen, der eQ-3 AG mit ihrer Marke Homematic IP, einen belastbaren Feldversuch, in dem detailliert aufgezeigt wurde, dass mittels eines einfachen und kostengünstigen, zumeist drahtlos installierten Smart-Home-Systems mit integrierter Heizungssteuerung ein Ein-Familienhaus oder eine vergleichbare Wohnung im Schnitt sofort an die 25 Prozent Energiekosten einspart - und dies meistens von einer Investitionssumme von weit unter 1.000 Euro! Die gewonnenen Erkenntnisse mündeten prompt in das von der SmartHome Initiative gegründete „Bürger CO2-Projekt“ - Motto: Jeder kann hierüber für wenig Geld sofort deutlich zur CO2-Reduzierung beitragen. Gerade der Gebäudesektor wurde ja mit Blick auf die CO2-Emissionen gegenüber der Automobilbranche, die zumindest auf dem richtigen Weg ist, von der Politik stark vernachlässigt – obwohl Gebäude mit etwa 40 Prozent einen größeren CO2-Fußabdruck hinterlassen als die gesamte Mobilitätsbranche, die einen Footprint von etwa 33 Prozent verantwortet. Die Konnektivität von allen möglichen Haushalts-, Unterhaltungs- und Kommunikationsgeräten auf der einen und smarten Klima-, Licht- und Security-Steuerungsprozessen auf der anderen Seite ist eine Herausforderung für jeden Anwender, aber ganz sicher zuallererst auch für die Einzelhändler und Systemintegratoren, die fit für diese neuen Betätigungsfelder gemacht werden müssen, um mit Beratungs-, Konfigurations- und Installationsleistungen einem guten, aber auch profitablen Kundenservice zu punkten. Denn in den meisten Fällen ist die Komplexität derartiger ganzheitlicher Smart-Home-Systeme über eine Versandbestellung nicht zu bewerkstelligen. Hier ist lokales Know-how gefordert. Die digitale Vernetzung von Wohnungen, Gebäuden, ja ganzer Städte in Verbindung mit der neuen IP-KI-gesteuerten mobilen Welt bildet sozusagen die Basis der neuen spannenden Formel der Tech-Branchen: Nachhaltigkeit durch Digitalisierung. Neben den energetisch-optimierten Heizsystemen gesellen sich nun aufgrund der klimatisch bedingten, immer öfter vorkommenden sommerlichen „Heiß-Zeiten“ auch für sehr viele Gebäude und Wohnungen erforderliche Raum-Kühlsysteme - so muss man leider ja bereits die Zukunft realistisch einschätzen. Es handelt sich hier allerdings nicht um ein kurz- oder mittelfristiges Geschäft (oder gar um einen Mode-Trend), es handelt sich vielmehr um eine langfristige wirtschaftliche Entwicklung; quasi die Begründung einer nachhaltigen Existenz vieler ITK-, Elektro- und  Smart-Home/Smart-Building-Unternehmen, die auf lange Sicht damit beschäftigt sein können, die zu etwa 80 Prozent noch nicht smarten Bestandsgebäude und Wohnungen klima- und umweltgerechter auszustatten (wir sprechen hier von weit über 22 Millionen Gebäuden allein in Deutschland). Der neue weltweite SmartHome-Standard Matter wird zu einer starken Beschleunigung der Smart-Home-Vermarktung führen – gerade im Consumer-Segment.

Wenn 70 Prozent des CO2-Ausstoßes in oder durch die Wirtschaft entsteht, so ist dies ein wichtiger Hinweis auf die überaus große Bedeutung von effizienzsteigender KI im Rahmen der Digitalisierungsprozesse in Richtung Klimaneutralität, die alle Unternehmen aller Branchen im Zuge der Digitalisierung zu durchschreiten haben. Gerade in den Tech-Branchen – aber auch in der gesamten Wirtschaft – sollte man die Klimakrise als Chance, und nicht als drohendes, Kosten verschlingendes Schreckens-Szenario der Zukunft begreifen – und endlich aufhören, die Kosten der Transformation in die Klimaneutralität zu bejammern, wenn deren Unterlassung zwangsläufig vielfach höhere Kosten verursachen wird: Nur eben weiter vor sich hergeschoben auf unsere nachfolgenden Generationen oder auf eine Zeitverzögerung schon in wenigen Jahren. Wirtschaftsjournalisten und -forscher haben errechnet, dass die weltweite Transformation in die Klimaneutralität bis 2050 lediglich 2 Prozent der Wirtschaftsleitung aller Länder ausmacht – umso erstaunlicher, wenn diese Dinge nicht sofort in Angriff genommen werden, wenn dem gegenüber die Überlebensfähigkeit der Menschheit auf diesem Planeten Erde steht!

Nachhaltigkeit und Klimaneutralität

Messekonzept von Global Fairs, Foto: TT-Messe
Messekonzept von Global Fairs, Foto: TT-Messe
Es bedurfte aber bekannterweise das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Jahr, die Folgen der Klimakatastrophe nicht einfach den kommenden Generationen überlassen zu können. In dieser Richtung wird es meiner Einschätzung nach zukünftig zu zahlreichen weiteren Urteilen (auch vor dem Europäischen Gerichtshof) kommen, um die Haupt-Verursacher der Klimakatastrophe angemessen an den Folgekosten zu beteiligen; siehe auch die gleichen Tendenzen in den USA, wo im Auftrag der US-Regierung 90 Großunternehmen identifiziert wurden (darunter auch europäische), die ursächlich den Klimawandel herbeiführten und sich nun finanziell an den Folgekosten beteiligen sollen.

Die Transformation in eine digitale, moderne und umweltfreundliche Gesellschaft ist zunächst und in erster Linie eine politische Aufgabe: die Behörden müssen aufgrund politischer Beschlüsse schnellstens die Weichen für die Wirtschaft stellen, denn alle Unternehmen brauchen dringend Planungssicherheit für die Transformation in grünes Wirtschaften. Nur dann können sie langfristige Investments planen und einen größeren Teil der Transformation finanziell selbst stemmen, anstatt die Steuerzahler zu belasten wie beim Atom- oder Kohleausstieg – auch wenn mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit in einigen Sektoren, wie z.B. in der Stahlindustrie, staatliche Subventionen unumgänglich sein werden. Nur eine Planungssicherheit mittels akzeptierter Regularien, verbunden mit einer zwischen Staat und den Wirtschaftsverbänden gut kommunizierten und verhandelten Zukunftsstrategie, versetzt die Unternehmen in die Lage, ihren Beitrag gegen die Klimakrise zu leisten. Dabei ist die Mehrheit längst bereit und motiviert, diesen „grünen“ Weg zu gehen. Viele Firmen preschen schon vor: Apple, Bechtle, Bosch, Grundig, Microsoft, Miele, Systeam – auch die ITK-Distribution und der Handel entfalten hier schon hervorragende Aktivitäten in Richtung Klimaneutralität, denn kaum ein Unternehmen kann es sich in Zukunft noch leisten, seine eigene Strategie gegen die Klimakrise im Rahmen seiner Möglichkeiten nicht öffentlich aufzuzeigen. Zunehmend wollen die Unternehmen auch von den mit ihnen vernetzten Geschäftspartnern wissen, wie es denn mit der Nachhaltigkeit und Klimaneutralität in dem jeweiligen Unternehmen bestellt ist. Und das eine oder andere Unternehmen möchte Umwelt-Zertifizierungen sehen, bevor eine geschäftliche Anbahnung möglich ist. Auf den Punkt gebracht: Bestimmten in der Vergangenheit neben dem Marken-Image maßgeblich das Verhältnis von Preis und Nutzungsleistung den Erfolg eines Produktes am Markt, so werden es in Zukunft in erster Linie Klima- und Umweltkriterien sein: Je klima- und umweltschonender die Produkte und Lösungen, desto wettbewerbsfähiger gegenüber der Konkurrenz und der daraus folgende Vermarktungserfolg.

Jedoch: Wir dürfen den Wandel unseres Wirtschaftens und Handelns hin zu einer klima- und umweltgerechten Art und Weise nicht als Großunternehmens-getriebene Entwicklung denken (Motto: „Die machen das schon“), sondern als gesellschaftspolitische, zukünftig mehr und mehr auch Behörden-regulierte neue Handlungsstruktur mit Vorgaben, die sich holistisch bis in alle Lebens- und Unternehmensbereiche hinein auswirken werden (Stichwort „New Green Deal“ der EU). Sprich: Die Klimaneutralität kann nur erreicht werden, wenn auch alle KMUs sie in ihren Unternehmen und auch die Privathaushalte sie konsequent umsetzen.

So verlangt im Mai 2021 der ZVEI auf seinem Jahreskongress von der Politik einen „klaren Fahrplan für Klimaziele“. Lobenswert ebenfalls die Aktivitäten und Initiativen der gfu (Trägerin der weltgrößten Consumer-Electronic-Messe IFA Berlin), deren Geschäftsführerin Dr. Sara Warneke in einer Pressekampagne im März 2020 der Branche das neue Energielabel der Europäischen Kommission nicht nur bekannt machte, sondern es verständlich erläuterte - und es somit unterstützte, einer breiten Zustimmung im Handel zuzuführen. Hieran merkt man: Achtung, wir haben verstanden. Wir werden die Klimaziele unterstützen (das war in der Vergangenheit bei den Branchenverbänden nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, gerade Politik und öffentliche Einrichtungen hinkten oft hinterher).

Einzelne Branchen vernetzen

Foto: TT-Messe
Foto: TT-Messe
Der holistische Ansatz, der ja allen Nachhaltigkeitskonzepten zugrunde liegt, stemmt sich bei der exponentiell wachsenden Klimakrise, die uns plötzlich nah und real offenbart, hierbei immer mehr gegen die totale Ab- und Aufspaltung einzelner Fachgebiete und die Aufteilung in viele unterschiedliche technologische Ansätze und Branchensektoren mit ihren vielen einzelnen technischen Ausläufern - quer durch alle Wertschöpfungsstufen des jeweiligen Marktsegmentes. Durch den Markt-Wettbewerb neigen die technologischen Sparten zuallererst dazu, untereinander zu konkurrieren, anstatt das technische und vertriebliche Vermarktungspotential und ihre Synergien zu verfolgen zwecks Aufbaus effizienter Vermarktungsstrukturen zur schnelleren Durchsetzung am Markt. Man denke hier nur an die bei Smart Home/Smart Building engstens verknüpften Elektro-, IT- und TK-Bereiche sowie auch Sanitär-Projekt-Tätigkeitsfelder. Dieses vielfältige, technologisch und vertrieblich begründete Spartendenken zu den besten Zeiten der Cebit trug auch maßgeblich mit zum Niedergang der einst weltgrößten IT-Messe bei, weil die abgespalteten Technologien sich dann erfolgreich rasch eigene Messeplätze schufen (siehe etwa Orgatec, Drupa, Light + Building oder auch MWC). Denn gerade die aus der Froschperspektive verengte Betrachtungsweise eines Fachingenieurs und eines ganzen (technischen) Branchensektors verliert den Blick auf die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft, dessen Gewerke in der nun inzwischen weitestgehend digital vernetzten Welt, z.B. im Smart Building, wieder zusammengeführt werden müssen (hier kann der neue Matter-Standard tatsächlich helfen). Diese gewachsenen Aufspaltungen dürften der Hauptgrund dafür sein, warum es mit Smart Home bzw. Smart Building viel zu langsam vorwärts geht - und mag auch eine Ursache dafür sein, dass der Klimawandel nur als ein das ganze große System betreffendes „Welt-Phänomen“ wahrgenommen wird. Umso leichter fällt es dann den Sparten-Branchen-Entscheidungsträgern (wie abgestimmt auf allen Wertschöpfungsstufen), den Klimawandel als nur zu einem verschwindend geringen Anteil des eigenen Sektors zu deklarieren, so als ob dieses Problem ihre jeweilige Branche gar nicht tangiere. Genau diese Fehleinstellungen aber bremsen die wirtschaftliche Entwicklung in eine grüne und klimafreundliche Welt und wirken wie ein Bremsklotz für eine grüne Entwicklung.

Fazit: Beim Klimawandel müssen wir technologisch und geografisch über unseren Tellerrand schauen. Das trifft ganz besonders auf die Tech-Branchen zu, da im Zuge eines beschleunigten Digitalisierungsprozesses an dieser Stelle die größten Erwartungen gestellt und der größte Beitrag zur Abwendung der Klimakatastrophe erwartet wird. ITK muss sich noch viel tiefer als bisher mit allen Branchen und Behörden vernetzen. Wir müssen mehr als je zuvor über unseren Tellerrand schauen.

Klimakrise und Messen

Gemeinschaftsstände, Foto: TT-Messe
Gemeinschaftsstände, Foto: TT-Messe
Immer wenn Gesellschaften besonders großen Veränderungen ausgesetzt sind, ist die Zeit stark wachsender Leit- und Fachmessen gekommen. Dies haben uns eindrucksvoll die 1980er und 90er Jahre gezeigt, als die Computerwelt über die Wirtschaft „hereinbrach“ und die Cebit innerhalb von zwei Jahrzehnten von nahezu null zur weltgrößten Messe überhaupt „getrieben“ wurde. Die gewaltigen Transformationen in kürzester Zeit, die uns jetzt hinsichtlich Digitalisierung und Klimakrise bevorstehen, machen aufgrund der damit einhergehenden vielfältigen komplexen Veränderungen von Geschäftsmodellen und neuen Kundenstrukturen solche Face-to-Face-Marktplätze auf den Leitmessen unabdingbar. Die zum Teil faszinierenden Modelle von Digitalmessen sind überwiegend zwar sehr informativ, generieren jedoch kaum Business – so hört man es allerorten aus den Erfahrungen während der Corona-Zeit. Denn zukünftige Messen zeigen die technologischen Produkte und Lösungen für eine klima- und umweltgerechte Zukunft, welche häufig einhergeht mit einer neuen Art der geschäftlichen Zusammenarbeit. Es muss viel Überzeugungsarbeit geleistet und Vertrauen zwischen alten und neuen Geschäftspartnern aufgebaut werden. Denn eine andere Zukunft als die „grüne Revolution“ gibt es nicht mehr. Die Bedeutung der Messewirtschaft für neue Technologien, die der Klimakrise entgegenwirken, kann hier nicht hoch genug bewertet werden, geht es doch darum, den zeitlich-verdichteten gewaltigen Wandel dieses Jahrzehnts in eine klimaverträgliche Welt auch ökonomisch mit Geschäftspartnern schnellstens auch tatsächlich umzusetzen. Hört man Stimmen aus der Branche, so haben darüber hinaus Außendienstmitarbeiter so gute Erfahrungen mit visualisierten Online-Meetings gemacht, dass zumindest bei Lieferanten die Reisen zum Kunden und Einzelhandel in bis zu 80 Prozent der Fälle (geschätzt) zukünftig entfallen werden. Dieser Umstand kommt wiederum den Leitmessen zugute, denn kein Unternehmen möchte den persönlichen Kontakt gänzlich abreißen lassen und seine Kunden an den Kosmos des Internets verlieren. Ein- oder zweimal im Jahr möchte man sich sehen. Dabei gibt es keine kostengünstigere und zeitsparendere Möglichkeit, in so kurzer Zeit so viele persönliche Gespräche zu führen wie auf den Leit- und Fachmessen der Branchen. Die Leute wollen sich endlich wieder treffen, es gibt viel zu besprechen. Klar ist: Natürlich hinterlassen auch Messen einen CO2-Footprint. Aber man kann diesen auch deutlich reduzieren – und wird mehr als wettgemacht durch den transformations-beschleunigenden Charakter einer Messe, die unser Wirtschaften und Handeln in eine klima- und umwelt-optimierte Zukunft ebnet.

Global Fairs TT-Messe

Meine Messeagentur organisiert seit über 20 Jahren den Reseller Park auf der IFA in Berlin – und seit 2012 Gemeinschaftsstände zum Themenkomplex Smart Home / Center of Smart Building (2022/23 unter anderem auf der Angacom in Köln, IFA Berlin, der Light + Building und ISH in Frankfurt). Ich lade herzlich Aussteller-Interessenten ein, an unseren ab 2022 klimaneutral organisierten Full-Service-B2B2C-Themenparks auf Leitmessen kosteneffizient teilzunehmen und von den stets gut besuchten Networking-Arenen und unseren europaweiten Channel-Promotionskampagnen zu profitieren. Zusammen mit der SmartHome Initiative Deutschland e.V. werden wir auf der einen oder anderen Messe Awards für die besten Produkte und Lösungen für Klima und Umwelt vergeben. Den Gewinnern winkt eine überaus gute Visibility noch auf der Messe und in den Fachmedien.
Foto: Global Fairs
Foto: Global Fairs
Den „Krieg“ gegen die Klimakrise können wir nur gewinnen, wenn wir alle – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – endlich damit beginnen, alle erdenklich nachhaltigen, klima- und umweltfreundlichen Technologien und Möglichkeiten auszuschöpfen und unser Verhalten (unser Bewusstsein!) in Richtung Klima-Priorisierung zu ändern. Halbherzig ist dieser „größte Überlebenskampf aller Zeiten“ nicht zu gewinnen. Die Welt nach Corona wird eine andere sein als vor Corona – wir befinden uns bereits in der Klimakrise. Corona hat uns gezeigt, wie schnell und flexibel Wirtschaft, Gesellschaft und Politik sich auf eine vollkommen neue, unerwartet eingetretene Situation verändern musste - und konnte. Dies sollte uns auch ermutigen, die viel größere Klimakrise zu bewältigen.

Zur Person Jan Nintemann

Jan Nintemann ist examinierter Gymnasiallehrer und studierte Geschichte, Germanistik, Pädagogik und Philosophie. 1990 war er Mitbegründer der NT plus, heute zur ALSO-Gruppe gehörend, und der damaligen Teleprofi Fachhandelskooperation. Seit 25 Jahren nutzt er seine Marktkompetenz in den Tech-Branchen (Multimedia, IT, Telekommunikation und Smart Home), um auf Leitmessen mittels Organisation von Themenparks dort neue Themen und Aussteller zu integrieren.
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